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Chunk it! Wie wir besser lernen und verstehen

Informationshäppchen helfen, das große Ganze zu verstehen

Manchmal lernen wir einen ganzen Tag und wissen am Ende doch – gar nichts. Dann stimmt die Lernmethode nicht. Wir können Informationen besonders gut verarbeiten und uns merken, wenn wir sie in kleinen Häppchen aufnehmen. Das geht auch digital.

Wie merkst Du Dir eine Telefonnummer? Schon als Kinder folgen wir einer bestimmten Art und Weise, uns Telefonnummern zu merken. Für den Fall, dass wir unsere Eltern anrufen mussten, wurde uns eine Sprechart beigebracht, mit der wir uns die Nummernfolge besser merken können. Die Nummer wird dafür  in kleine Einheiten unterteilt, ähnlich wie Verse eines Gedichts. In einer Art Singsang gehen wir von Einheit zu Einheit, bis die Nummer vervollständigt ist. Probier es aus!

Diese Unterteilung in Einheiten findet sich auch in Telefonbüchern. Die großen Einheiten stellen Ländervorwahl, Ortsvorwahl, Hausanschluss dar. Je nach Anzahl der Ziffern können diese Einheiten nochmal aufgeteilt werden, in Zweier- oder Dreier-Päckchen. (Ich sage Telefonnummern am liebsten in Zweier-Päckchen auf. Und Du?)

Foto von 🇨🇭 Claudio Schwarz | @purzlbaum / Unsplash

Miller’s Gesetz

Mit der Aufteilung in kleine Informationseinheiten folgen wir (unbewusst) einer Regel: Miller’s Law. Bereits 1956 erkannte der US-amerikanische Psychologe George A. Miller, dass ein Mensch gleichzeitig nur 7 +/- 2 Informationseinheiten, sogenannte Chunks, im Kurzzeitgedächtnis präsent halten kann. In der kognitiven Psychologie wird das Chunking als Prozess verstanden, in dem eine Informationsgesamtheit in seine Bestandteile heruntergebrochen und nach bestimmten Kriterien neu gruppiert wird. Das Ergebnis: Wir können mehr Informationseinheiten in unser Kurzzeitgedächtnis (heute spricht man von Arbeitsgedächtnis) aufnehmen.

Nehmen wir zum Beispiel Vokabellisten: Wir können Vokabeln nach Verben, Nomen oder Adjektiven gruppieren. Oder wir ordnen sie nach Themen, Wortlängen oder gar Wortursprüngen. Welche Kategorien auch immer für uns naheliegend sind. Durch die Zuordnung können wir uns die einzelne Vokabel besser merken – als kleines Teil eines Ganzen.

Foto von Hal Gatewood / Unsplash

Richard H. Lindley fand heraus, dass es noch einfacher ist Dinge zu lernen und abzurufen, wenn die Gruppierungen und Kategorien eine Bedeutung für uns haben. Denn in diesem Fall nutzen wir verfügbare Informationen aus unserem Langzeitgedächtnis, um Neues zu lernen. Das heißt, wir lernen noch besser, wenn wir die Informationseinheiten selber gruppieren – und sind dann fähig, noch mehr Chunks aufzunehmen. Heute wissen wir, dass die Chunking-Technik sich auch für das Langzeitgedächtnis eignet.

Informationsteilchen brauchen Kontext

Es scheint nicht eingängig, Informationen aufzusplitten – aber es erhöht den Fokus, führt zur schnelleren Verarbeitung, und schließlich auch zu einem besseren Verstehen. Deswegen lässt sich Miller’s Law auch als Lerntechnik für komplexe Zusammenhänge anwenden: Das große Ganze auf einmal aufzunehmen fällt uns schwer, aber jede Information kann in größeren und kleineren Stücken gesehen werden. Außerdem: Chunks brauchen Kontext. Ohne das Gesamtbild im Blick zu haben ist Lernen vergeblich. Deswegen ist es auch ratsam, zu Beginn einen Überblick über das Thema zu geben.

Stellen wir uns vor, unser Gedächtnis sei eine Flasche. Der weite Flaschenbauch, das ist unser Langzeitgedächtnis. Da sollen Informationen im besten Fall landen. Um dahin zu kommen, müssen sie durch den Flaschenhals, unser Arbeitsgedächtnis. Allerdings hat das Arbeitsgedächtnis ein geringeres Speichervermögen als das Langzeitgedächtnis – nicht jede Information kommt automatisch weiter. Bei einer großen Menge an Wissensstoff kann das dauern – oder Informationen gehen auf dem Weg dorthin verloren. Informationen, die mit bereits existierendem Wissen im Flaschenbauch verbunden werden können, fließen schneller vom Arbeits- ins Langzeitgedächtnis.

Auch die Cognitive Load Theory  beschäftigt sich mit diesen Einschränkungen unseres Verstandes. Die Theorie geht davon aus, dass Lernen mit Belastung verbunden ist. Je nach Menge der Informationen ist die Belastung geringer oder größer. Ist unser Verstand überlastet, müssen erst alle Informationen verarbeitet werden, bevor wir weiter Lernen können. Wer sich besonders viel kurz vor einer Prüfung lernt, kennt das Gefühl: Irgendwann geht nichts mehr.

Chunking erweitert den Arbeitsspeicher!

Die gute Nachricht: Wir können trainieren, wie viel Informationseinheiten wir aufnehmen können! Durch Chunking können wir unseren Arbeitsspeicher manipulieren und erweitern, argumentiert der Neurowissenschaftler Daniel Bor der Universität Cambridge. Und er bewies es auch, mit einem 20-monatigen Experiment und einem Studenten: Als der Mann mit dem Training anfing, konnte er sich nur sieben Nummern einer Sequenz behalten – genau wie Miller’s Law beschreibt. Am Ende des Experiments konnte er sich eine 80-stellige Sequenz merken.

Foto von chuttersnap / Unsplash

Und warum? Nun ja, der freiwillige Experimentteilnehmer war auch ein Läufer. Und so merkte er sich die Nummern innerhalb der Sequenz als Laufzeiten – er nutzte also eine bekannte Kategorie aus seinem Langzeitgedächtnis. Dann kombinierte er die Laufzeiten in eine Art “Superstruktur”, und gruppierte sie erneut. Interessanterweise nutzte er nie mehr als eine handvoll dieser gruppierten Superstrukturen – ganz nach Miller’s Law. Am Ende konnte er sich Informationseinheiten mit maximal 24 Ziffern merken, aber nur ein paar Informationseinheiten.

Chunks für das große Ganze

Wir können entweder das große Ganze in spezifische Informationseinheiten herunterbrechen (“chunking down”), oder von Details ausgehend ein größeres Bild aufbauen (“chunking up”). Je nachdem, welche Perspektive wir wählen, müssen Informationseinheiten neu organisiert werden. Das erfordert Logik und Struktur. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Detailliertheit der Informationseinheiten. Die Einheiten sollten tiefgründig genug sein – aber nicht so, dass der Kontext oder die Aufmerksamkeit des Lernenden verloren geht. Ist das Thema dem Lernenden noch unbekannt, sollten die Chunks weniger detaillierte Informationen beinhalten.

Foto von Gabriel Crismariu / Unsplash

Verwandte Techniken: Mikro-Learning und segmentiertes Lernen

Es gibt auch Lerntechniken, bei denen die kleinen Informationshäppchen ganz bewusst nicht zu einem großen Ganzen zusammengeführt werden. Zumindest vorerst nicht. Beim sogenannten Mikro-Learning geht es darum, sich situativ in nur wenigen Minuten Wissen anzueignen. Eine Lerneinheit sollte nicht länger als fünf Minuten dauern. Dahinter steckt die Idee, dass wir heutzutage nur sehr wenig Zeit haben, uns im Alltag weiterzubilden. Wir teilen den Weg des Wissens also in kleine Etappen, gehen Schritt für Schritt. Lernen wir regelmäßig in kurzen Einheiten, verringert sich die kognitive Last, das Stresslevel sinkt – die Motivation und der Lernerfolg hingegen steigen.

Beim Mikro-Lernen werden Informationshäppchen in kleinen Erklär-Videos, Mini-Podcasts, Grafik-Gifs, Tweets oder interaktiven Spielen verabreicht. Damit sind sie prädestiniert für flexibles Lernen zwischendurch – und nebenbei. Mikro-Lernen ist durch die Kürze optimal für den Weg zur Schule oder zur Uni, oder für die Pause.

Foto von Charles Etoroma / Unsplash

Was Mikro-Learning nicht ist: Ein langes Training oder Kapitel einfach in 5-Minuten lange Einheiten unterteilen. Das würde eher dem Prinzip des “segmentierten Lernens” (Segmenting Principle) entsprechen: Der amerikanische Bildungspsychologe Richard E. Mayer argumentiert, dass wir besser lernen, wenn wir komplexe Lektionen in verschiedene Abschnitte einteilen. Wenn wir beispielsweise über den Blutkreislauf lernen, ist es einfacher mit den einzelnen Bestandteilen anzufangen: dem Lungenkreislauf, dem Körperkreislauf, sauerstoffarmen- und reichem Blut. Dadurch wird unser “Arbeitsspeicher” nicht mit zu vielen Informationen überladen.

Achtung: Konkurrenz von Informationen

Im digitalen Kontext scheint Chunking in den vergangenen Jahren noch wichtiger geworden zu sein: Wir sind stetig mit Informationen konfrontiert, verschiedene Dinge erfordern und konkurrieren um unsere Aufmerksamkeit. Gleichzeitig liegt unsere Aufmerksamkeitsspanne nur noch bei etwa 8 Sekunden, so eine von Microsoft finanzierte Studie aus dem Jahr 2015. Damit ist unsere Aufmerksamkeitsspanne kürzer als die eines Goldfisches – der kann sich nämlich ganze neun Sekunden auf etwas fokussieren. Im Jahr 2000 soll unsere Aufmerksamkeitsspanne noch bei 12 Sekunden gelegen haben. Dass sich unsere Aufmerksamkeit verringert hat, merkst Du auch im Alltag. Wenn Du dir einen alten Film anschaust – aus den 90er Jahren sollte er schon sein –, werden Dir einige Szenen unglaublich lang erscheinen, fast schon unangenehm. Das liegt daran, dass weniger Schnitte gemacht, die Einstellung länger stehen gelassen wurde. Heute sind Auge und Gehirn an schnelle Schnitte gewöhnt.

Foto von Luis Villasmil / Unsplash

Der Grund für unsere verringerte Aufmerksamkeit: Wir besitzen mehrere internetfähige Geräte, scrollen uns Tag für Tag, Stunde für Stunde durch diverse Newsfeeds – und wissen gar nicht, wo wir als erstes hinschauen sollen. Wir landen dort, wo die Informationen und ihre Aufbereitung uns ansprechen. Informations-Chunks passen in diese Umgebung, denn sie können schneller erfasst, verarbeitet, und verstanden werden.

Tipps für bessere Aufmerksamkeit

Aber auch hier haben wir eine gute Nachricht: Wir können unsere Aufmerksamkeit trainieren, also verlängern. Denn unsere Denkgeschwindigkeit, unsere Fähigkeit zum Fokussieren, Auswählen und Entscheiden, hängt auch von unserem Arbeitsgedächtnis ab.

Wer fokussiert denken will, sollte zunächst einmal die äußeren Reize minimieren. Also: Radio aus, Handy aus, und auch Seiten sozialer Netzwerke im Browser schließen. Dadurch wird das Arbeitsgedächtnis entlastet und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Und dann geht es darum, einer Sache aufmerksam zu folgen: Schach eignet sich gut, weil Züge im Voraus geplant werden. Andere Forscher empfehlen Meditieren, Musizieren, oder Lesen. Beim Lesen kannst Du deine Aufmerksamkeit steigern, wenn Du zum Beispiel bestimmte Wörter markierst.

Egal, wofür Du dich entscheidest: Regelmäßiges Training und regelmäßige Pausen sind entscheidend.

Digital Chunking 

Nichtsdestotrotz: Informations-Chunks liegen uns und unserem Arbeitsspeicher, auch digital. Es kommt neben dem Inhalt auch auf die Darstellung von Informationen an: kurze Absätze, Überschriften für neue Chunks, Bilder und Grafiken zur visuellen Unterstützung. Auch Aufzählungen in Listen oder Schritt-für-Schritt-Anleitungen folgen dem Chunking-Prinzip.

Die US-amerikanische New York Times nutzt das Prinzip des Chunking bei komplexen Multimedia-Reportagen und Dokumentationen, zum Beispiel in diesem Feature über die Osterinsel. Um in das Projekt einzuführen, stehen einzelne Sätze, kurze Abschnitte ganz für sich auf dem Bildschirm. Durch Scrollen gelangt der Leser zu einer neuen Informationseinheit, das Thema baut sich auf. Dadurch wird der Inhalt entzerrt, die Seite wird länger. Aber das macht nichts: Je weniger Elemente, Konzepte und Informationen auf einmal aufgenommen werden müssen, desto besser kann sich der Nutzer fokussieren.

Es geht darum, aussagekräftige, visuell unterscheidbare Inhaltseinheiten zu schaffen. Allerdings sollte Chunking nicht als Argument für verbesserte Lesbarkeit oder übersichtliches Seitendesign verwendet werden – sondern als Argument, um die Verarbeitung von Informationen zu verbessern.

Foto von Kelly Sikkema / Unsplash

Miller’s Law wird oft missverstanden: Dass wir uns nur 7+/-2 Dinge merken können, heißt nicht, dass es insgesamt auch nur so viele Kapitel, Menüpunkte, oder Slides einer Präsentation geben sollte. Denn Menüs und Kapitelübersichten sind jederzeit einsehbar. Stattdessen geht es darum, in welche (und wie viele) Kategorien und Unterkategorien, Einheiten und Untereinheiten Informationen geteilt werden, um sie zu verstehen und zusammenzufügen. Wir könnten Informationen also in sieben Kategorien einteilen, die sich in Unterkategorien differenzieren, welche sich wiederum in Untereinheiten für unsere Information splitten.Wir sollten nach Möglichkeiten suchen, die Informationseinheiten sinnvoll in Beziehung miteinander zu setzen. Was haben diese Elemente gemeinsam? Wie hängen die Chunks zusammen?

Ja, Wissen wird kleinteiliger. Aber dadurch auch übersichtlicher und bleibt besser im Gedächtnis.

Und was hat das mit KontextMaps zu tun?

KontextMaps zeigen beides: den Überblick UND die Detailinformationen. Und die vielen vielen Einzelinformationen sind bei KontextMaps in sinnvolle inhaltliche Einheiten unterteilt – eben die Chunks, die im Gesamtbild zusammen hängen und jedes Thema beschreiben.

So helfen die Mappings nicht nur den Überblick zu sehen, sondern auch die einzelnen Informationen miteinander zu verknüpfen. Die Hierarchien, entweder über mehrere Level verteilt oder farblich oder in ihrer Größe aufgefächert, zeigen dann auch noch, was wirklich wichtig ist und wo Details das Gesamtbild vervollständigen.

KontextMaps folgt somit dem beschriebenen Prinzip des Chunkings. Es ist leichter den Überblick zu erfassen und die Einzelfinformationen einzuordnen. So wird jedes Thema nachhaltig besser im Gedächtnis bleiben.